Troy-Anthony Baylis
Troy- Anthony Baylis: €30
Handklatschen 3 Cheers 4 Aboriginal Art, Auflage 100, signiert und nummeriert, 2016.
Foto: Boris von Brauchitsch, Berlin
An einem roten Griff sind eine äußere schwarze, eine innere rote, sowie eine äußere gelbe Handform befestigt. Die beiden Äußeren sind mit grob angedeuteten Darstellungen von Fingernägeln „verziert“. Bei diesem Gegenstand handelt es sich laut Auskunft eines angehängten Etiketts, um eine sogenannte “Handklatsche”, ein Kunststoffgewordenes Klapperinstrument. Einer Handrassel vergleichbar wird sie an ihrem Griff gehalten und durch leichte, aber ruckartige Vor- und Rückwärtsbewegungen der Hand aktiviert. Die drei, Hände abbildende Plastikteile werden so auseinanderbewegt, um sogleich wieder aufeinander zu klatschen. Das dabei entstehende Geräusch zeichnet sich weniger durch komplexe Musikalität aus, es erreicht vielmehr mit hell-schepperndem Geklapper, einen gewissen, wohl erwünschten, Geräuschpegel.
In den Farben schwarz, rot, gelb, gilt die Handklatsche als Fan-Artikel, um etwa bei internationalen Fussballereignissen Sympathie für eine deutsche Mannschaft zu bekunden. Warum das nicht eben sympathische Geräusch, dass durch Betätigung dieser Klatsche erzeugt wird, ausgerechnet Sympathie und nicht vielmehr Antipathie ausdrücken soll, muss an dieser Stelle ungeklärt bleiben.
Klären lässt sich jedoch, die vom Künstler vorgenommene kreative Umwidmung des Gegenstandes. Als der indigene australische Künstler, Harold Thomas, 1971 die Flagge der Aborigines entwarf, setzte er auf eine zweigeteilte Fläche, oben schwarz, unten rot, eine gelbe Rundform. Seit die australische Regierung die Flagge 1995, als eine Flagge Australiens offiziell angenommen hat, teilen sich Deutschland, Belgien und die Aborigines diese Dreifarbigkeit als Zeichen ihrer Nationalität.
Die stilisierte Darstellung von Händen ist ein sehr traditionsreiches Bildzeichen in der Kunst der Aborigines. Stilisierte Handdarstellungen spielen darüber hinaus im nationalen Gedenken der Australier an die schrecklichen Verluste im ersten Weltkrieg, beim Anzac Day eine Rolle. Sie sind ebenfalls ein wichtiges Bildsymbol im Gedenken an die Verfolgung und Ermordung zahlloser Aborigines, im Rahmen von Reconciliation Day Veranstaltungen. In dem vermeintlich deutschtümelnden Fanartikel, lässt sich vor diesem Hintergrund, also ein ausgesprochen inhaltsbeladenes australisches Objekt ausmachen!
In seiner Umwidmung des Fanartikels, zu einem auf einem Readymade basierenden Multiple, tritt Troy-Anthony Baylis einmal mehr in einen Dialog zu dem, von ihm sehr geschätzten amerikanischen Künstler Cary S. Leibowitz. Leibowitz bedruckte für sein Multiple Ice cream 4 art, fünf aus Kunststoff gefertigte Eiscremeportionierer mit Texten: Ice Cream 4 Cubism, Ice Cream 4 The Baroque, Ice Cream 4 P.C. Art, Ice Cream 4 Photo Realism und vor allem Ice Crream 4 Abstract Expressionism. Es ist schließlich naheliegend für einen Künstler, der Kunst ebenso wie Eiscreme liebt, jeden Löffel Gefrorenes einer bevorzugten Kunstrichtung zu widmen. Auch dies ist letztlich ein Fanartikel.
Cary S. Leibowitz
Einem Sammler, der sowohl Leibowitz sammelt, als auch dessen Geschmack für Kunst nur annähernd teilt, ermöglicht dies, in einer Hängung, dem passenden Kunstwerk einen, seinem Stil gewidmeten Leibowitzschen Plastik-Eisportionierer an die Seite zu stellen, so wie anderenorts Preise verliehen werden, oder Orden. Leibowitz im Sinn, reiht Baylis „Aboriginal Art“ ein in den Kanon, der mit Eiscreme oder eben Handklappern zu huldigenden Kunstrichtungen und bezeichnet damit zugleich eine prominente Leerstelle vieler internationaler, öffentlicher, wie privater Kunstsammlungen.
Mit Handklatsche 3 Cheers for Aboriginal Art, zollt Baylis somit seinem indigenen Herkommen, Australischer Geschichte, einem Multiple von Cary S. Leibowitz und schließlich der Kunst der Aborigines insgesamt und überhaupt Tribut. Mit einem einfachen Schriftzug, einer Signatur, nebst Nummerierung und Datierung wird aus einer musikalisch ärmlichen und in ihrem stumpfen nationalen Bezug ausgesprochen peinlichen Plastikklapper, ein an kunsthistorisch-internationalen und historisch- australisch-nationalen Bezügen ebenso reiches, wie kluges Kunstobjekt. Oder: Einem dümmlichen „Fanartikel“ aus dem 1€ Shop, mit viel Ironiebewußtsein und Humor, so viel mehr Sinn zu verleihen, ist eine echte Klatsche für jedweden nationalen Stumpfsinn!
Eine derartige Anreicherung beweist einmal mehr, dass Bereicherungen der Sichtweise auf das Eigene, oft erst im interkulturellem Dialog zustande kommen. Um in diesem Zusammenhang ein weiteres Beispiel zu nennen: Gute Nachrichten für den deutschen Stammtisch. In Australien steht das Kürzel AfD für Alcohol free Day.
Let’s make some noise for Aboriginal Art!
Rafael von Uslar, Berlin
Troy-Anthony Baylis: €15
Plakatedition 11m2, Auflage 9, signiert und nummeriert, 2016